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Corona-Pandemie – Recht, Strategie und Betriebswirtschaft 

Vor allem kleine und mittlere Unternehmen stellt die Corona-Pandemie vor nahezu unüberschaubare Probleme und Fragen nach der richtigen Handlungsweise. Es stellen sich grundlegende Fragen, wie:

  • Wie kann ich mich vor den wirtschaftlichen Schäden schützen? 
  • Was muss ich hier, was muss ich da berücksichtigen?
  • Wo kann ich welche Hilfe erhalten?

Die Rechtslage ist unüberschaubar. Neue Gesetze sind in einer atemberaubenden Geschwindigkeit erlassen worden. Der Gesetzgeber hat zwar den Willen, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abzumildern, aber kann die Verwaltung mithalten?

  • Mit diesem Blog werde ich regelmäßig über solche Fragen berichten. 
    Nachfolgend zu den Fragen im Zusammenhang mit dem Insolvenzrecht:

 

1) Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und weitere insolvenzrechtliche Maßnahmen zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie


Jeder Führer eines Unternehmens, das keine natürliche Personen als Gesellschafter hat, weiß, dass er nach § 15a InsO innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen hat, wenn er die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung seines Unternehmens feststellt. Er weiß auch, dass er die Drei-wochenfrist nur ausschöpfen kann, wenn er davon ausgeht, in dieser Zeit die Dinge noch zum Besseren drehen zu können. Er weiß auch, dass er sich bei einer Versäumung dieser Frist strafbar macht und die Staatsanwaltschaften rigoros diese Straftaten verfolgt, insbesondere nachdem der Insolvenzverwalter in der Regel in seinem Insolvenzgutachten feststellt, wann die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags zu laufen begonnen hat. Und er weiß auch, dass er in dieser Phase sehr schnell in eine unüberschaubare Haftungslage kommt, die in der Regel auch zur persönlichen Insolvenz des Geschäftsführers selbst führt. Meist schieben Unternehmensführer einen Insolvenzantrag hinaus, weil sie wissen, dass ein Insolvenzantrag meist zur Zerschlagung seines Unternehmens führt und deshalb hofft der Unternehmensführer – oftmals vergeblich -, dass er die Insolvenz doch noch vermeiden kann. 

Diese Problematik würde durch die Corona-Pandemie massenweise eintreten. Wer sein Geschäft schließen muss, etwa weil er ein Ladengeschäft betreibt, das nicht Lebensmittel verkauft, oder weil er ein Hotel oder eine Gaststätte hat, verliert von einem Zeitpunkt auf den anderen seine Umsätze. Die Kosten laufen weiter, wie etwa für die Geschäftsmiete, die Mitarbeiter, die Leasingfahrzeuge, die Betriebsmittelkredite und vieles mehr und in der Regel bestehen nur eine finanzielle Reserven für wenige Tage oder vielleicht noch ein paar wenige Wochen. Dies bedeutet, dass der Unternehmensführer unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen habe. 

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht hilft ihm allerdings weiter. Es ist rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getreten (BT-Drs. 19/18110) und hat folgende Änderungen:

Mit diesem Gesetz wurde in Artikel 1 das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenz-Aussetzungsgesetz – COVInsAG) beschlossen, durch das die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a der Insolvenzordnung bis zum 30. September 2020 ausgesetzt wird. Mit diesem Gesetz soll es verhindert werden, dass betroffene Unternehmen deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung der Anträge auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht erfolgen kann.

Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 noch zahlungsfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

2) Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Soweit nach § 1 des COVInsAG die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist

  1. gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 Satz 2 des GmbHG, des § 92 Abs. 2 Satz 2 des AktG, des § 130a Abs. 1 Satz 2 auch in Verbindung mit § 177a Satz 1 des HGB und des § 99 Satz 2 des GenG vereinbar; d.h. für den Zeitraum der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wird die Haftung der organschaftlichen Vertreter eingeschränkt.
  2. gilt die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend; dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht aber deren Besicherung; § 39 Absatz 1 Nummer 5 und § 44a der Insolvenzordnung finden insoweit in Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, die bis zum 30. September 2023 beantragt wurden, keine Anwendung. Kreditgeber von Sanierungsdarlehen unterliegen damit nicht – mehr – der Gefahr einer späteren Insolvenzanfechtung.
  3. sind Kreditgewährungen und Besicherungen im Aussetzungszeitraum nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen. Banken können also an Unternehmen schnell Darlehen vergeben, ohne vorherige Pflicht der Erstellung von Sanierungsgutachten.
  4. sind Rechtshandlungen, die dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, in einem späteren Insolvenzverfahren nicht anfechtbar; dies gilt nicht, wenn dem anderen Teil bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Entsprechendes gilt für:
  5. a) Leistungen an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber;
  6. b) Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
  7. c) die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist;
  8. d) die Verkürzung von Zahlungszielen und
  9. e) die Gewährung von Zahlungserleichterungen.

3) Eröffnungsgrund bei Gläubigerinsolvenzanträgen

Es soll verhindert werden, dass trotz ausgesetzter Insolvenzantragspflicht des Schuldners ein Gläubiger von seinem Insolvenzantragsrecht Gebrauch macht. Deshalb ist ein Insolvenzantrag eines Gläubigers nur zulässig, sofern ein Insolvenzgrund bereits am 1. März 2020 vorlag.

Das unter obiger Nr. 2, 3 und 4 gesagte gilt auch für Unternehmen, die keiner Antragspflicht unterliegen, sowie für Schuldner, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind.

Das unter obiger Nr. 2 und 3 gesagte gilt im Fall von Krediten, die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau und ihren Finanzierungspartnern oder von anderen Institutionen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme anlässlich der Covid-19-Pandemie gewährt werden, auch dann, wenn der Kredit nach dem Ende des Aussetzungszeitraums gewährt oder besichert wird, und unbefristet für deren Rückgewähr.

Geschäftsführer müssen daran denken, dass die Vermutung der Kausalität der Corona-Krise für die Insolvenzreife widerlegbar ist und müssen deshalb Maßnahmen treffen (z.B. durch eine Dokumentation, die ein Sanierungsberater bzw. Wirtschaftsprüfer bescheinigt), die sie davor schützen, dass ein Insolvenzverwalter im Nachgang versuchen könnte, zu beweisen, dass die Insolvenzreife bereits am 31. Dezember 2019 eingetreten war oder durch andere Faktoren ausgelöst worden ist.

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