Corona-Pandemie | Insolvenzrecht

Die Risiken aus der Pflicht zur Masseerhaltung (z.B. bei der GmbH nach § 64 GmbH) wurden für die Corona-Krise entschärft

Eine der größten Risiken für Geschäftsleiter, z.B. Geschäftsführer einer GmbH, ergibt sich in der Krise des Unternehmens aus der Vorschrift des § 64 GmbHG. Nach § 64 Satz 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet werden. Nach § 64 Satz 1 GmbHG gilt dies nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 

Daraus folgt, dass diese Vorschriften zur Pflicht zur Masseerhaltung dem Geschäftsführer grundsätzlich jegliche Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nach Eintritt der Insolvenzreife verbieten.

Diese Vorschriften haben zum Ziel, Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzverfahrens zu verhindern bzw. für den Fall, dass der Geschäftsführer dieser Massesicherungspflicht nicht nachkommt, sicherzustellen, dass das Gesellschaftsvermögen durch die persönliche Haftung des Geschäftsführers wieder aufgefüllt wird, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht. Sinn und Zweck des Zahlungsverbots des § 64 GmbHG ist also, die verteilungsfähige Vermögensmasse der insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern. 

Aufwendungen können in diesem Stadium nur erfolgen, wenn sie im Interesse der Masseerhaltung notwendig sind. Dafür ist der Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig. Der Geschäftsführer geht also ein erhebliches Risiko ein, wenn die GmbH zahlungsunfähig ist, er nicht Insolvenzantrag stellt, etwa weil er die dreiwöchige Antragspflicht noch ausschöpfen will, um die Gesellschaft zu retten, und er in dieser Zeit Zahlungen vornimmt, z.B. Lieferanten bezahlt. Er weiß ja nicht, ob er mit der Argumentation dem späteren Insolvenzverwalter gegenüber durchkommt, dass es sich um Zahlungen gehandelt hat, die zu diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes erfolgt sind. 

Im Hinblick auf die öffentlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Corona-Pandemie würde sich diese Problematik aus der Pflicht zur Masseerhaltung und der persönlichen Haftung des Geschäftsführers bei einem Verstoß dagegen in erheblicher Weise realisieren. Ein vorsichtigter Geschäftsführer würde oftmals lieber inaktiv sein, nur um kein persönliches Haftungsrisiko einzugehen und damit in Kauf nehmen, dass das Unternehmen zerschlagen wird.

Wenn z.B. eine Gaststätten-GmbH wegen der Schließung der Gaststätte keine Einnahmen mehr hat, aber Zahlungen z.B. für Mitarbeiter, Pacht und bereits eingekaufter Speisen und Getränke fällig sind und der Geschäftsführer bis auf weiteres nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungen vorzunehmen, müsste er an sich innerhalb längstens drei Wochen ab der Schließung und der Fälligkeit der Zahlungen Insolvenzantrag stellen. Zwar ist diese Insolvenzantragspflicht für diese Fälle nach dem COVInsAG ausgesetzt, jedoch bleibt nach wie vor die Zahlungsunfähigkeit und damit das Masseerhaltungsgebot bestehen. Deshalb war es konsequent, die Zahlungsverbote zu lockern, weshalb in § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG geregelt ist, dass Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne der § 64 Satz 2 GmbHG, § 92 Absatz 2 Satz 2 AktG (für den Vorstand einer AG), § 130a Absatz1 Satz 2, auch in Verbindung mit § 177a Satz1, HGB (für den Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG) und § 99 Satz 2 GenG (für den Vorstand einer Genossenschaft) vereinbar ist.Geschäftsleiter sollen bei der Fortführung des Unternehmens nicht durch die engen Grenzen der genannten Vorschriften beschränkt werden. Sie sollen vielmehr die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen. Das schließt nicht nur Maßnahmen der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ein, sondern auch Maßnahmen im Zuge der Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen einer Sanierung.