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Überwintern in Palermo

Palermo im März (Teil 1)

Am Morgen nach einer Regenfronten mit schwerem Sturm und Windböen von 95 km/h ist das Licht klar, die Berge rücken näher, nur die hohen Wellen erinnern noch an den Sturm. Unser Vermieter sagt, jetzt beginnt der Frühling in Palermo.

Vom 06. März bis zum 15. März.

Mami mit stolzen 93 Jahren kommt mit Maria "mit Maria trau ich mir alles", am Flughafen Palermo an. Sie war klein und gebückt an Maria eingehakt. Ich frage: "Wie habt ihr das geschafft mit Sack und Pack?" Mami: "Jetzt sind wir da!" Jetzt galt es Maria und mir, Mamis Geschicke zu bestimmen. Ein weiteres Pärchen kommt mit der Rynair, Sonja und Laila, Mutter und Tochter. Sie sind selbstständig, wollen ihre eigenen Wege gehen, und wohnen bei mir in der Via Vulpi.

Mami und Maria steigen im Hotel Ambassador ab. Ich wusste es würde Hürden geben, die erste offenbarte sich im schmalen Aufzug des Hotels, der hatte wohl das gleiche Alter wie meine Mutter erreicht. Es galt Innen und Außen Türen zu öffnen und zu schließen bevor er sich mit einem Ruck in Bewegung setzte. Im Hotel fehlte Personal und helfende Hände. Maria war von Anfang an unglücklich, alles verschwor sich gegen sie, die laute "Via Roma" ließ sie nicht schlafen, der Zimmertresor nicht öffnen, der Ventilator wollte nicht wärmen. Mami hingegen hatte alle Last über Bord geworfen und den Bonus der Schwerhörigkeit. Das beste am Hotel war die Dachterasse mit wunderbarem Panoramablick über Palermo.

Hotel Ambasciatori

Trinacria

Ristorante La Galleria

Palermo bietet viele Verkehrsmittel, mit Mami bin ich vorallem Taxi gefahren, die Fahrer heißen Guiseppe, Gabrielle, Guiliano, sie geben uns zum Abschied ihre Visitenkarte. Auch Pferdekutsche, an der Via Marqueta hebt Francesco, der Kutscher Mami auf das hochliegende Trittbrett, sie rutscht mit Maria auf der weichen Sitzbank zusammen, ich klettere auf den Kutschbock, sehe durch die Ohren des angespannten Pferdes. Es trabt, seine Hufe klackern auf den alten Pflastersteinen, für einen Moment bin ich glücklich. Francesco lenkt das Pferd in die befahrene Via Roma, wir teilen sie mit verbeulten Fiats, Bussen und knatternden Vespas. Am Piazza Politeama, gibt es ein Mancia, ein Trinkgeld, meine Mutter ist großzügig.

Wir wechseln in den offenen Sightseeingbus mit audio guide. Mamis Kopfhörer sind laut gestellt, das Theatre Massimo, der Eingang in den traditionellen bunten Markt im Capoviertel, das verwunschene Schloss, Zisa mit dem vergitterten Park, die Via Liberta, eine moderner Boulevare mit prächtigen exotischen Bäume, auf der Höhe des zweiten Decks schauen wir in ihre Kronen. Der Audio guide erklärt ausführlich, meine Mutter schätzt mehr die Musikeinlagen zwischen den Texten, ein Walzer, Vivaldis Frühling und wieder ein Walzer diesmal von Guiseppe Verdi.

Essengehen rundet die vielen Eindrücke ab, wichtig ist ein Gläschen Weißwein, und zum Abschluss ein Dolci. Die Kellner sind bemüht um Mamis Wohl, ihnen ist ein gutes Trinkgeld sicher. Guiseppe fährt uns zurück ins Hotel. Sein Spruch bringt es auf den Punkt, "Essen in Italien und Wohnen in Deutschland, wir nicken. Die ausgedehnte Mittagsruhe ist heilig, auch für Maria sie spricht mit ihrer Familie in Polen, so überbrückt sie täglich die große Distanz.

Ich gehe den Cassaro hinauf, durch das Porto Nuova, über den Piazza Independenza, grüße den kleinen Mann aus Bangladesh, der vor seinen ausgebreiteten Hosengürtel und Handyhüllen auf Kundschaft wartet, die kleinen Stufen hinunter über den Eisenwarensammler, über mir die zerklüfteten Häuser mit den ausladenden Balkonen, die wie Vogelnester an den Hauswänden kleben. Ich komme zurück in die Via Vulpi, grüße die Männer vor dem kleinen Alimentari, kaufe ein Kilo Orangen und treffe Sonja und Leila in der Wohnung. Ich lausche ihren Erlebnissen, Leila hat Fotos mit Günters Kamera gemacht, ich staune, was sie sieht, und wie gut sie das Wesen der Dinge einfangen kann. In ihr hätte Günter eine gute Schülerin gehabt.

Sonja und Laila, Maria, meine Mutter und ich machen immer wieder gemeinsame Treffpunkte aus. Wir haben gemeinsame Freunde. Das sind die Tiere im Parco de Orleans, der grünen Oase gegenüber dem Palazzo Reale, seine alten hohen Bäume bilden ein natürliches Dach, vorallem der Ficus macrophylla, dessen luftige Wurzeln das Erdreich durchziehen. Der Eintritt ist frei für Kinder, Familien und alte Damen mit Rollator, sowie alle die sie begleiten. Dennoch das Kassenhäuschen ist immer besetzt, bald werden wir wie alte Bekannte begrüßt. Im Park gibt darin eingesperrte Inselbewohner, überwiegend Vögel, ein trauriger Anblick selbst der stolze Wander- und Pellegrino Falke sitzen unschuldig hinter Gitter.

Da sind die Exoten, die bunten Aras, Amazonen und Rosensittiche lustiger. Wir machen uns strafbar und füttern sie mit Nüssen, du führst Gespräche mit ihnen während sie mit ihrem harten Schnabel sanft die Erdnuss aus deiner Hand nehmen. Du bist gerecht, an jedem Käfig bleibst du stehen. Laila spricht mit dem einzigen Säugetier, ein Affe in der Mitte des Zoos, er streckt seine Hand aus dem Gitter, er nimmt die Nüsse entgegen und verzieht sein Gesicht zu einem Lächeln. Er sitzt gepresst an das Gitter, eine große Tafel warnt, der Affe wäre gefährlich. Viel unterscheidet ihn nicht von uns Menschen.

Die Tage vergehen, bei der Besichtigung von Kirchen, und Palazzos aber auch Besuchen an Stränden und Piazzas tut Mami uns den Gefallen mitzukommen, dann sitzt sie geduldig auf ihrem Wagerl. Auf einer kalten Bank am "stazione centrale" auf den Zug nach Cefalu. Da kommen wir ins Gespräch mit einem älteren Herren aus England.

Ich: "My mother has got an English Grandma."
Er: "Ah!"
Ich: "Mami, sag doch mal deinen Englischen Reim."
Mamis Gesicht hellt sich auf, die Stimme rythmisch betont: "Humpty dumpty sat on the wall, humpty dumpty had a great fall, and all the kings horses and all the kings men, could not put humpty dumpty together again."
Der ältere Herr verwandelt sich in einen wohlgesonnenen Lehrer, der seiner rezitierenden Schülerin zuhört. Mami fallen noch zwei weitere Reime ein, von denen ich eines noch nie gehört habe. Die Lippen des Herren bewegen sich, er spricht die Verse lautlos mit.
Er sagt, "those rhymes still learning the children in Great Britain."
Wir lächeln zum Abschied, stehen auf, gehen voraus, Mami folgt mit dem Rollator zum Bahnsteig. Am Gleisende schläft ein Hund, es ist Mittag und unser Zug ist besetzt, alles Schüler, sie machen Mami sofort einen Platz frei. In Cefalu war es am Hafen zu windig, das Pflaster zu holprig, die Sonne zu grell und die Wege zu weit.

Die einstündige Rückfahrt nutzte Mami zum Dösen

Am letzten Abend essen wir in einem netten Restaurant, es heißt "Galeria" gleich hinter dem Normannendom. Der charmante Besitzer gratuliert mir zu meiner rüstigen Mutter, ich zeige mit einer Handbewegung zu ihr: "please gratulate herself", er nimmt sie liebevoll in die Arme und küsst sie auf die Wange. Mami strahlt, so einen Kuss hätten Maria, Sonja und ich auch gern gehabt.

Am nächsten Morgen fährt Guiseppe Mami und Maria zum Flughafen. Sonja, Laila und ich gehen unseren Lieblingswanderweg über Boccadifalco, einem Vorort von Palermo die Hügel hinauf nach Monreale. Wir treffen kaum auf Menschen, aber Tiere. Laila ist eine echte Tierfotografin und nebenbei macht sie auch von uns wunderschöne Aufnahmen.

Feigenkakteen

Italienisches Weidelgras

Falsche Kapokbäume

02.01.2018, Daniela Tax