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Projektbegleitung im Industrieanlagengeschäft

1990 Jahre übernahm ich einen Auftrag zur umfassenden juristischen Begleitung eines Projekts für die Errichtung eines Werkes zur Herstellung von Zellstoff in Bayern. Die Bausumme belief sich auf nahezu eine Milliarde DM. Das Werk sollte auf ein neuestes Verfahren zur Herstellung von Zellstoff umgerüstet werden. Das Unternehmen war in der bisherigen Form erheblich sanierungsbedürftig und nicht mehr in der Lage, auf Dauer bestehen zu bleiben. Damit sollten auch die zahlreichen Arbeitsplätze des Unternehmens gerettet werden.

Das Projekt hatte aber zwei mehrere strukturelle Probleme, die sich in den Folgejahren immer mehr steigerten und die Investition letztlich zum Scheitern brachte. Das erste Problem war, dass ein altes Werk umgebaut und modernisiert werden sollte. Es zeigte sich, dass es letztlich billiger gewesen wäre, ein solches Werk neu, also "auf der grünen Wiese" zu errichten. Hier bestätigte sich wieder die Erfahrung, wie sie Immobilienfachleute stets machen, dass die Renovierung eines alten Gebäudes oftmals teuer kommt, als sein Neubau.

Das zweite Problem war, dass es sich um ein Jahrhunderte altes Unternehmen handelte, das an diesem Standort bereits in 19. Jahrhundert arbeitete. Entsprechend groß waren die Probleme, als das wahre Ausmaß der Umweltbelastung des Grundstücks und der angrenzenden Grundstücke immer mehr bekannt wurden. Denn in den Anfangszeiten des Werkes wurde, wie damals üblich, mit Kohle und Koks befeuert und der ganze Abraum einfach auf dem Gelände vergraben. Ferner arbeiteten in der Umgebung auch zahlreiche Gärbereien, die ihre Abfälle auf die Mülldeponie dieses Unternehmen mit dazu mischten.

Und schließlich bestand das Problem, dass in den Jahrzehnten die Wohnbebauung der Stadt immer mehr an das Werk heranrückte, so dass es erhebliche Spannungen im Hinblick auf Lärm- und Abgasbelastungen und auch im Hinblick auf den erhöhten LKW-Verkehr zum Firmengelände gab.

Ich begleitete das öffentlich-rechtliche Genehmigungsverfahren und verhandelte mit den Genehmigungs- und den Fachbehörden. Ich war fester Bestandteil des Projektteams und konnte dabei zahlreiche Erfahrungen bei der Projektführung und der Organisation von Teams sammeln. Mein Anteil im Team war die Betreuung aller anstehenden Rechtsmaterien, wie z.B. aus dem Immissionsschutzrecht, dem Wasserrecht, dem Recht der Altlastensanierung und dem Abfallrecht. Es ging im Team aber nicht nur um Sachfragen. Einen hohen Stellenwert hatten strategische Fragen, insbesondere im Zusammenhang mit der Projektsteuerung. Mit Hilfe der Szenarioplanung wurden die jeweiligen Alternativen, wie sich bestimmte Entscheidungen auswirken könnten, durchgespielt und danach die Entscheidung für die jeweils nächsten Projektstufen getroffen.

Ich führte Rechtstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten. Ferner bearbeitete ich alle mit der Werkserrichtung zusammenhängenden Fragen, wie z.B. die Geltendmachung der Baumängel und die Durchführung von Beweissicherungsverfahren. All diese Tätigkeiten waren aber integriert in die jeweilige Strategie, die im Team stets aufgrund der neueren Fakten geprüft wurde, inwieweit Änderungen veranlasst wären.

Die Tätigkeit ging über mehr als fünf Jahre bis zur Fertigstellung des Werks. Die Kosten für die aufgetretenen Probleme waren so überaus hoch, dass das Unternehmen über mehrere Kapitalerhöhungen und der Erhöhung der Fremdfinanzierung gerade noch in der Lage war, das Werk fertig zu stellen. Just zu diesem Zeitpunkt traten erhebliche Konstruktionsmängel auf, die das Unternehmen mit erheblichen Folgekosten belasteten. Da zu diesem Zeitpunkt die Weltmarktpreise für Zellstoff erheblich gesunken waren, konnte infolge der enormen Kostenüberschreitungen beim Bau eine kostendeckende Herstellung nicht mehr betrieben werden. Das Unternehmen wurde insolvent.

Günter Seefelder