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Kampf gegen die Steuerfahndung

Mitte der 80er Jahren erhielt ich einen Auftrag zur Strafverteidigung in einer Steuersache, die sich zu einer größeren Sache ausweitete. Eine Privatperson hatte ein großes Grundstücksareal mit Blick auf die Zugspitze gekauft und mit einer Luxusvilla bebaut. Der vordere Teil sollte, nachdem es sich um Bauerwartungsland handelte, alsbald als Bauland ausgewiesen werden, mit dessen Verkauf die Bankverbindlichkeiten aus dem Kauf des Grundstücksareal zurückgeführt werden sollten. Wegen verzögerter Ausweisung des Baurechts kam der Käufer in Liquiditätsschwierigkeiten. Er wurde darüber hinaus durch die ADCA-Bank finanziert, die just zu diesem Zeitpunkt insolvent zu werden drohte und aus diesem Grunde auf die schnelle Rückführung der Darlehen drängte. Da dies in der vorgegebenen Zeit nicht möglich war, kam das Grundstücksareal zur Zwangsversteigerung. Die Privatperson war von nun an nur noch darauf bedacht, eine Verschleuderung des Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung zu vermeiden und schaltete von ihr mittels Treuhandverträge beherrschte GmbHs als Kaufinteressenten dazwischen, die teilweise einen Rettungserwerb im Wege der Ersteigerung vornahmen.

Hatte der Eigentümer insoweit Erfolg, kam er jedoch dadurch vom Regen in die Traufe. Denn die Verhinderung der Verschleuderung seines Grundbesitzes sollte ihm große steuerliche Probleme einbringen. Das Finanzamt stellte sich nämlich auf den Standpunkt, er habe mit seinem Rettungserwerb eine gewerbliche Tätigkeit durchgeführt. Das Finanzamt schätzte die Gewinne aus diesem Rettungserwerb in astronomischer Höhe und behauptete eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.

Als der Eigentümer endlich einen Termin im Finanzamt bekam, um die Angelegenheit aufzuklären, wurde er in den Räumen des Finanzamtes wegen angeblicher Fluchtgefahr verhaftet. Sodann wurde ich in die Sache eingeschaltet und erhielt den Auftrag zur Strafverteidigung.

Ich legte gegen den Haftbefehl Beschwerde ein und legte detailliert dar, dass ein Tatverdacht für eine Steuerhinterziehung bereits nach dem von der Steuerfahndung behaupteten Sachverhalt gar nicht besteht. Erst das Oberlandesgericht München hob bei nach wie vor unverändertem Sachverhalt den Haftbefehl mangels Tatverdachts auf. Nach drei Monaten Untersuchungshaft kam mein Mandant dann frei.

Die Steuerfahndung wollte sich mit dieser Schlappe aber nicht abfinden und arbeitete mehrjährig verbissen an der Sache und erstellte einen Bericht über mehr als 400 Seiten, mit dem nach wie vor eine Steuerhinterziehung behauptet wurde. Parallel dazu überzog das Finanzamt wegen der behaupteten Steuerschulden meinen Mandanten mit Vollstreckungsmaßnahmen, so dass dieser seine berufliche Tätigkeit in Deutschland aufgeben musste.

Es erging ein Strafbefehl, gegen den auf mein Anraten Einspruch eingelegt wurde. Im anschließenden Strafverfahren wurde die Sache dann gegen eine Geldbuße von DM 20.000.- und Verzicht auf Haftentschädigung eingestellt. Dies wurde aus Vernunftsgründen akzeptiert.

Zwischen der Verhaftung meines Mandanten und der Einstellung des Verfahrens lagen mehr als acht Jahre!

Diese Tätigkeit zeigte mir, wie verbissen Staatsbeamte unter Einsatz der geballten Machtstellung vorzugehen in der Lage sind, wenn sie nicht souverän genug sind, sich einzugestehen, dass sie mit ihrer Vorgehensweise Unrecht taten. Mein Mandant wurde durch die langjährigen Vorgänge aus dem Gleis geworfen. Die unrechtmäßige und nachhaltige Verfolgung kostete ihm die berufliche Existenz. Ein Neuaufbau der beruflichen Existenz scheiterte vor allem daran, dass das Finanzamt aus noch rückständigen Steuerschulden mit einer unüblichen Strenge vorging und jeden noch so geringen Fortschritt im Wiederaufbau der beruflichen Existenz zerstörten. Ganz offensichtlich war dies eine Retourkutsche für den Sieg meines Mandanten gegen die Steuerfahndung.

Da die Steuerfahndung und das Finanzamt ebenso massiv versuchten, gegen die Ehefrau meines Mandanten vorzugehen, brach die Ehe auseinander. Der Verlust der beruflichen Existenz und der familiären Bindung führte bei meinem Mandanten zu schweren Alkoholproblemen. In der Folge einer dadurch bewirkten Bewusstseinsänderung und durch die Tatsache, dass meinem Mandant mehrmals der berufliche Wiederaufbau zerstört wurde, driftete er nunmehr tatsächlich in kriminelle Handlungen ab, weswegen er nunmehr zurecht angeklagt und inhaftiert wurde.

Dieser Fall war ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die unrechtmäßige und unnachgiebige Härte von Staatsorganen einen Menschen in den Ruin treiben können. Die Staatsbeamten waren nicht in der Lage, sich mit der Tatsache abzufinden, dass sie, wie das Gericht feststellte, Unrecht taten. Sie sahen sich ganz offensichtlich in ihrer Machtvollkommenheit verletzt. Sie waren nicht in der Lage, über der Sache und über ihren Emotionen zu stehen.

Günter Seefelder