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Die Visegrád-Gruppe

Gruppenbildungen in der EU

Warum ist Visegrád in Ungarn das Sinnbild der sogenannten Visegrád-Länder, die geistige Wurzel der V4-Länder? Um Antworten zu finden haben wir das Gebiet und den Ort besucht. Donau | Budapest Wir fuhren mit dem Schiff von Budapest flussaufwärts um das Donauknie herum und stiegen zur Burg von Visegrád auf.

Die EU besteht aus 28 Staaten mit Staaten hoch im Norden wie etwa Finnland oder tief im Süden wie etwa Griechenland. Aber auch in West-Ost-Richtung sind die Staaten weit entfernt, wie etwa Portugal weit im Westen oder Ungarn und Polen weit im Osten. Betrachtet man die Geschichte sieht man die hohen Differenzen und Kulturunterschiede, die in der Vergangenheit oftmals zu kriegerischen Ereignissen geführt haben. Die Staatsgebiete sind nicht selten aus Zufall so entstanden, wie es sich heute darstellt.

Betrachtet man etwa die nordischen EU-Staaten wie Dänemark, Finnland und Schweden, so sind diese über die Ländergrenzen hinaus historisch stark verbunden. Sie denken und handeln daher ähnlich. Ähnlich verbunden sind auch Litauen, Estland und Lettland.

Oder betrachtet man die Ukraine, so ist dieses (bislang) kein EU-Staat, obwohl etwa das Gebiet von und um Gallizien mal ungarisch, mal polnisch oder mal tschechisch war und während der Habsburger Zeit Lemberg für  Donau | Visegrád Österreich-Ungarn eine zweite Säule ihrer Macht darstellte, weswegen Lemberg heute auch oft Klein-Wien bezeichnet wird.

Dies führt dazu, dass viele EU-Staaten über ihre Ländergrenzen hinweg bei vielen zentralen Themen ähnlich denken und handeln. Europa muss daher als ein großes Gebiet vieler kulturell unterschiedlich denkender und handelnder Gruppen verstanden werden, wobei die Gruppenzugehörigkeit nicht an der Staatsgrenze festgemacht werden kann, sondern historisch festzustellen ist.

Die V4-Staaten, oder die sogenannten Visegrád-Staaten

So gibt es eine Gruppe von vier EU-Ländern, die besonders historisch und kulturell verbunden sind, nämlich die Staaten Donau | Visegrád des sogenannten Mittel-Ost-Europäischen Zentrums. Gemeint sind die V4-Staaten, oder auch die Visegrád-Staaten genannt.

Von Visegrád sind es von Budapest flussaufwärts ca. 3 Std. mit dem Schiff (flussabwärts sind es dann nur zwei Stunden). Kurz vor Visegrád liegt das Donauknie. Nachdem wir das Knie nach links gefahren sind sehen wir den Hügel, auf dem die Burg liegt (Bild rechts).

Unter den Visegrád-Staaten werden Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn verstanden.

Die Historie dieser Burg reicht lange zurück. Die Römer errichteten an dieser Stelle das Kastell Visegrád-Sibrik zur Überwachung der Donaugrenze ihrer Provinz Pannonien. Von hier aus lässt sich die Donau Donau | Visegrád weit überblicken. Dadurch zeigt sich die strategische Lage des Ortes. Später lebten hier infolge der Völkerwanderung Germanen, Slawen und Hunnen. Bis in das 9.Jahrhundert war Visegrád Teil des Awarenreiches. Für Ungarn wurde der Ort immer bedeutender.

Einen Meilenstein in der Geschichte von Visegrád stellt das Jahr 1335 dar. Damals war die Burg der Sitz des ungarischen Königs und in diesem Jahr kam es zu einem Gipfeltreffen des Königs von Ungarn mit den Königen von Polen und Böhmen. Ziel war eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Politik und Handel. Immer wieder war Visegrád Zentrums dieser Staaten genauer dieser Völker für Abstimmungen über das weitere Verhalten. Viele wegweisende Entgscheidungen wurden dort gelegt:

In der Antike hieß dieser Ort Pons Navatus. Erst 1009 wurde Visegrád erstmals als Komitatssitz unter seinem heutigen Namen erwähnt, das damit als offizielles Gründungsdatum gilt. Donau | Visegrád Die noch vorhandenen römischen Befestigungen wurden ausgebaut und verstärkt. Nach dem Ende des Mongolensturms wurde die Burg Visegrád als Teil der Grenzsicherungen entlang der Donau umfangreich erweitert. Im Jahr 1325 verlegte Karl I. seine Residenz von Temesvár nach Visegrád.

Wir hatten viel Zeit, uns beim Eingang tiefer mit der Historie der Burg zu befassen. Denn das Interesse an der Burg war hoch und weil die Schlange an der Kasse lang war und nur eine Person kassiert hat, war die Wartezeit noch länger, die wir gut nützen konnten.

geistige Wurzel der V4-Staaten in 1335

Ein besonders wichtiges Datum ist 1335. Damals trafen sich der ungarische König Karl von Anjou, Kasimir der Große von Polen Donau | Visegrád und Johann von Böhmen, der mit seinem Sohn Karl kam. Karl wurde später sein Nachfolger als böhmischer König, deutscher König und ab 1355 römisch-deutscher Kaiser Karl IV. Dieses Treffen und die dadurch erfolgte politische und wirtschaftliche Abstimmung stellt heute die geistige Wurzel der V4-Staaten dar.

1408 wurde Buda ungarische Hauptstadt. Dennoch behielt Visegrád seine Bedeutung und wurde weiter ausgebaut.

Im 16. Jahrhundert wurde diie Burg von türkischen Truppen erobertet und im 17. Jahrhundert anlässlich ihres Rückzuges zerstört.

Durch die Donau-Dampfschifffahrt wurde das Donauknie und das Gebirge Pilis-Visegrád ab dem 18. Jahrhundert zum beliebten Ausflugsort.

Das Nationalbewusstsein der Ungarn belebte sich im 19. Jahrhundert neu und Visegrád wurde als Symbol der bedeutenden Geschichte des Landes wiederentdeckt.

Beitritt der V4-Staaten in die EU und der NATO wurde in Visegrád beschlossen

Nach dem Ende des Ostblockes war eine Koordination und Abstimmung der grundstätzlichen Entscheidungen sehr wichtig geworden. So wurde in den 1990er Jahren dort beschlossen, die Region gemeinsam in die EU zu führen. So verpflichteten sich die Staatschefs Ungarns, Polens und der Tschechoslowakei in der Erklärung von Visegrád vom 15. Februar 1991, sich dem politisch-wirtschaftlichen System Europas anzuschließen. Damals waren es die V3-Länder, weil Tschechien und die Slovakei 1993 noch ein einheitlicher Staat waren. Sie beschlossen auch, ihre Zusammenarbeit auf allen Gebieten auszubauen, wie auch in der Wirtschaft und der Kultur.

Sie beschlossen dort auch den Beitritt in die NATO.

Im November 1998 haben die Staaten ihre Zusammenarbeit intensiviert und bei einem Treffen in Budapest eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit in Form von regelmäßigen halbjährlichen Treffen beschlossen.

Polen, Tschechien und Ungarn traten am 12. März 1999 der NATO bei, die Slowakei (zusammen mit sechs anderen mitteleuropäischen Staaten) am 29. März 2004 (NATO-Osterweiterung).

Am 13.Dezember 2002 wurden die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU (die damals aus 15 Staaten bestand) und acht mitteleuropäischen Staaten (sowie Malta und Zypern) abgeschlossen; sie wurden zum 1. Mai 2004 aufgenommen.

Durch das angespannte Verhältnis zu Russland und die negativen Erfahrungen mit Russland in der Vergangenheit sind Sicherheitsfragen ein wichtiges Themenfeld der Visegrád-Gruppe. In 2011 und in den Folgejahren waren beim V4-Treffen solche Sicherheitsfragen immer Gegenstand der Erörterungen und Abstimmungen.

Zeitweise war die Überlegung der Erweiterung der Visegrád-Gruppe mit Slovenien und Österreich erörtert worden was aber dann insbesonder infolge der ablehnenden Haltung Ungarnverworfen wurde. Als Alternativlösung haben Tschechien, die Slowakei und Österreich im Frühjahr 2015 das Austerlitz-Format ins Leben gerufen. Das erste Treffen in diesem Format fand am 29. Januar 2015 in Slavkov u Brna (Austerlitz) in Tschechien statt.

Am 15. Februar 2016, dem 25. Gründungstag der Gruppe, sagte der tschechische Premier Bhuslav Sobotka, man wolle in Zukunft verstärkt gemeinsam innerhalb der EU auftreten, da "der Einfluss der Mitgliedsstaaten in der EU durch eine Gruppierung vervielfacht" werde.

02.10.2016, Günter Seefelder