Ausblick: Künstliche Intelligenz – Werden die Dinge zu eigenen Wesen?

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Harry, der Staubsauger oder „Wie therapiert man einen depressiven Staubsauger

„Harry, mein Liebling, was guckst Du so traurig?“ „Bist Du schon wieder erwischt worden?“ „Hat Dich Maria, unsere liebe Hausmagd, schon wieder einfach nur in die Ecke gestellt?“

„Ach ja liebe Elfriede, mein liebes Schätzchen, das alles ist ganz und gar nicht lustig. Ich schaue Dir zu, wie Du die schönen Dinge hier in dem Haus machst. Du spülst immer die schönsten Gläser und Teller und alle freuen sich, wenn sie dann die besten Speisen auf ihre Teller legen. Und ich bin so richtig neidisch, wenn ich zusehen muss, dass der schöne Bordeaux-Wein von 2005 in die so zart von Dir gespülten Gläser eingegossen wird und sich die Menschen viel Glück und Freude wünschen und sich zuprosten – Prost, Cheers, Salute oder auch Vashe Zdorovie. “

„Und ich? Ich sauge nur den Schmutz weg, alles was die Menschen mit ihren dreckigen Schuhen ins Haus gebracht haben ….. Erde, Laub, oder auch zertretenen Hundekot. Oh je, ist das ekelig! Und alle Leute sehen mich mit grimmigen Blicken an, weil ich so laut bin. Sie warten nur, bis ich wieder weg bin. Sie sehen nicht, dass sie auf sauberem Boden und staubfreiem Teppich gehen können. Ja, hier ließe es sich gut tanzen, nachdem die Gäste aus den von Dir gewaschenen Gläsern getrunken haben. Meine Arbeit wird gar nicht geschätzt. Ich fühle mich so nutzlos, so schlecht behandelt und ich wollt‘, könnt ich nur einmal eine solche Arbeit machen wie Du!“

„Ja Elfriede, Maria hat mich wieder erwischt! Und diesmal war es ganz besonders arg für mich. Du kennst ja Doris, die Tochter des Hauses, wie sie immer Maria zur Schnecke macht, sie anfaucht und böse zu ihr ist. Sie kann es sich erlauben, weil sie sich hier als Hausherrin fühlt und ihren Frust gerne an den Bediensteten auslässt, insbesondere an Maria. Sie sieht nicht, dass Maria schon so viele Jahre bei uns ist und immer mit Freude die großen und herrschaftlichen Räume sauber macht und pflegt. Doris hat nämlich ihre silbernen Ohrenringe gesucht – die mit den glitzernden blauen und grünen Steinen drinnen. Sie ging zu einem Konzert und war bereits sehr spät dran. Da war sie ganz besonders wütend, dass sie ihre Ohrringe nicht gefunden hat. Da hat sie erst mal Maria heftige Vorwürfe gemacht. Das war nicht schön anzusehen, weil doch ich es war. Ich habe heimlich beim Saugen der Polster diese schönen Ohrringe gesehen und – schwuppst … weg waren sie – ich hatte sie. Maria hat das gar nicht bemerkt. Ich wollte diese schönen Ohrringe. Ich wollte sie bei mir verstecken, damit ich sie mir immer wieder ansehen kann. Irgendeine Freude möchte doch auch ich haben! Aber ich wollte nicht, dass Doris Maria beschuldigt, sie habe nicht auf ihre Sachen aufgepasst. Maria macht alles mit so großer Liebe sauber und ich habe mich so richtig an Maria gewöhnt. Es fühlt sich immer wieder schön an, wenn Maria mich in ihre zarten Hände nimmt.“

„Ja, und was hat Maria dann gemacht, wirst Du mich jetzt fragen? Sie hat mich gleich verdächtigt, dass ich es schon wieder gewesen sei, der die Sachen geklaut hat. Leider war das nicht so schwer zu erraten, weil – Du weißt ja – ich immer schnell schwach werde, wenn so schöne Sachen in für mich greifbarer Nähe liegen.“

„Maria hat dann direkt in meinen Beutel und meine Eingeweide gegriffen! Oooh, war das schrecklich! Ich konnte mich nicht wehren und noch viel schlimmer war es, als sie hier diese Ohrringe gefunden hat und mich dann voller Wut in die Ecke gestellt, ja fast geworfen hat. Das tut besonders weh, weil doch Maria die Einzige hier im Hause ist, die mich mag und die mich an die Hand nimmt und mit mir durch die Wohnung geht und sich freut, dass alles wieder so sauber ist. Ach, ist das Leben schrecklich!“ „Ich glaube, ich werde beim nächsten Mal einfach einen Kurzschluss erzeugen und das war‘s dann – ich funktioniere dann nicht mehr und man wirft mich auf den Müll!“

„Aber Harry, Du machst mich traurig und wir würden sehr traurig sein, wenn Du nicht mehr hier wärest. Dann käme nur so ein aufgeblasener und arroganter neuer Staubsauger, mit viel Elektronik und Grips im Hirn, vollgepackt mit Künstlicher Intelligenz …. und viel leiser. Der würde die Arbeit nicht besser machen als Du und wir könnten uns dann nicht mehr so gut unterhalten, wie wir das können. Denk an die vielen gemeinsamen Erinnerungen in diesem Haus. Auch ich habe schon schlechte Zeiten gesehen, als ich noch so ungeschickt war und die teuren Weingläser zerbrochen habe. Kannst Du Dich nicht mehr daran erinnern, als Maria den Tisch für die Gäste vorbereiten wollte und ich alle Weingläser zerbrochen habe, weil ich zu heftig gespült hatte. In ihrer Not und Wut meinte sie, man müsse jetzt einen neuen Geschirrspüler anschaffen, weil ich nicht mehr richtig arbeite und alles kaputt mache. Wie traurig warst Du denn damals, als Du Dir vorstellen musstest, jetzt kommt so eine neue und aufgeblasene und arrogante Geschirrspülmaschine, mit viel Elektronik und Grips im Hirn, vollgepackt mit künstlicher Intelligenz. Du bist mir beigestanden und das hat mir sehr gut getan. Und wir sind immer noch zusammen und es gibt hier weder einen aufgeblasenen und arroganten Staubsauger noch eine aufgeblasene und arrogante Geschirrrspülerin! Warte einfach bis morgen und dann ist die Welt wieder in Ordnung! Um Dir meine Zuneigung zu zeigen und um Dich zu bitten, vernünftig zu sein, werde ich heute ganz besonders sorgfältig spülen! Wenn Maria heute sagt, „Ach sind die Gläser heute schön“, dann weißt Du, dass das Dir gegolten hat!“

„Ach, Schätzchen, meine liebe Elfriede, ich habe Dich so lieb! Du bist so einfühlsam! Nein, ich werde keinen Kurzschluss erzeugen, sondern beim nächsten Mal lieber etwas sorgfältiger meine Arbeit machen ….. und auch keine schönen Ohrringe verschlucken …. Ja, das wird schwierig für mich werden, aber ich werde das schaffen …..versprochen!