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Reisetagebuch

Die Normannen, Palermo und Monreale

Viel hört man auf Sizilien und vorallem in Palermo von den Normannen.

Der bedeutenste Palazzo in Palermo ist der Normannenpalast, der Palazzo Reale, er hat,wie alles in Sizilien, vielfache Veränderungen und viele Besitzer erlebt. Er steht auf einer kleinen Anhöhe, dem ältesten Teil Palermos, hier gründeten die Phönizier bereits im 8.Jh vor Christus die erste Siedlung. Etwa zur gleichen Zeit besiedelten die Griechen die Ostküste Siziliens und machten Syrakus zu ihrem Glanzstück.

Die Römer und das oströmische Reich, die Byzantiner bauten Palermo zu einer befestigten Hafenstadt aus. 831 n.Chr. eroberten die Araber Palermo und lösten die Byzantiner ab. Die Araber waren sehr fortschrittlich ihr Wissen über Landwirtschaft, Bewässerungssysteme und neue Nutzpflanzen, Städtebau, Kanalisation aber auch Verwaltung, brachte Palermo zur Blüte. Sie führten Orangen- und Zitrusfrüchte ein, deren Haine bald die Ebene rund um Palermo ausfüllten. Während ihrer Regierungszeit bauten sie den Herrschaftspalast in Palermo aus und nannten ihn "Al Kasr", Palermo war zu jener Zeit mit Konstantinopel und Byzanz die wichtigste Stadt im Mittelmeerraum.

Bevor das islamische Gedankengut, die Baukunst und die Moscheen von den Christen, systematisch zurückgedrängt und zerstört wurden, gab es in Sizilien und Palermo die Zeit der Normannen und Staufer, denen weltweit einmalig die Verschmelzung der abendländischen und orientalischen Welt gelang.

Obwohl die Araber später als finstere Sarazenen verteufelt wurden, und in den traditionellen sizilianischen Puppenspielen "der Opera dei Puppi" immer wieder durch den tapferen Ritter Roland vertrieben werden. In diesem Puppenspiel wird der Beginn des 11. Jahrhunderts dargestellt, wo es den Kämpfern und Abenteurern aus Nordfrankreich gelang mit ihren Anführern, Robert Guiscard, und Roger, Palermo einzunehmen.

Heute kann man die Marionetten in den Museen besichtigen, und es gibt für Touristen kleine traditionelle Puppentheater.

Nach dem Siegeszug der Normannen über ganz Sizilien machten sie Palermo zu ihrem Königssitz, sie errichteten als Zeichen ihrer Macht den Normannenpalast auf den Ruinen des arabischen Herrschaftspalastes.

Erst nach dem Untergang des Stauferreichs 1265 begannen auch die Palastmauern zu bröckeln. Und es dauerte Jahrhunderte, bis sich die spanischen Vizekönige daran machten das heruntergekommene Prachtstück zu sanieren. Das Wappen stammt noch aus der Zeit 1816, das Königreichs beider Sizilien, mit Neapel und Sizilien als Hauptstädte, so wie es Goethe bei seiner Italienreise erlebte.

Heute ist der Palast Sitz des autonomen sizilianischen Regionalparlaments.

Im Inneren des Palazzo Reale mit dem schönen Treppeaufgang und den Privaträumen und der Privatkapelle Roger II, der "Capella Palatina" ist der Glanz der Zeit noch lebendig. Von aussen ist der Palazzo weinger beeindruckend, es ist immer wieder an das Gebäude angebaut worden, ein großes Durcheinander, ohne Stil. Teilweise renoviert, dann wieder nagt der Zahn der Zeit. Wie an dem Brunnen vor dem Palazzo Reale, den Marmorfiguren fehlen Finger, Arme und ganze Oberkörper, vielleicht zieren sie anstatt den Kaminsims irgendeines Wohnzimmers.

Das Palastleben zur Zeit der Normannen war verführerisch, es ließ kaum Zeit zu Regierungsgeschäfte, das überließ man gerne den hohen Geistlichen, Adligen und Beamten. Es lockte das orientalisch-luxuriöse Leben, mit erlesenen Genüssen, einem Heer an Garden und Dienern unterschiedlichster Rasse, sowie das erlauchte Harem. Den Kunstwerken aus den hofeigenen Werkstätten, den Seidenwebern und Goldschmieden galt die Aufmerksamkeit der Regenten, nicht zu reden von der angenehmen Abwechslung und Bereicherung der sommerlichen Ausflüge und Jagden zu den königlichen Schlössern rund um Palermo. Deren Zahl sie selbst durch glanzvolle Bauten wie La Cuba oder La Zisa noch vergrößerten. Die Gärten waren prächtig gepflegt, weitläufige Parkanlagen mit Pavillions, künstlichen Seen und Tiergehege, mit Exoten wie dem Leoparden, der auch auf einem berühmten Wandteppich im Palazzo Reale zu bewundern ist. Der Leopard ist Titelgeber des großartigen Films von Luchino Visconti 1963 nach dem gleichnamigen Roman "Il Gattopardo" von Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Der mit großem Aufwand realisierte Streifen gilt als Meisterwerk der Filmgeschichte.

Im Normannendom, an dessen äußerer Fassade noch der arabische ornamentale Stil sichtbar ist, sind die Sarkophage, des Normannen Roger I, König Rogers II, seiner Tochter Konstanze, der späteren Kaiserin und Mutter Friedrich II aufgebahrt.


Die Normannen in Monreale

Der größte Anziehungspunkt in der unmittelbaren Umgebung Palermos ist ein weiterer Prachtbau, der Normannendom in Monreale, am Hang des Monte Caputo. Wir haben einen kleinen roten Cabrio gemietet, eine Marotte unseres Vermieters und sind nun selbst Teil der riesigen Autowelle, die jeden Tag Palermo heimsucht.

Monreale ist gut mit den öffentlichen Bussen erreichbar. Der Autofahrer ist unter allen Verkehrsteilnehmer das, was die Cowboys im wilden Westen waren, das Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Dass dieser Gedanke absolut überholt ist zeigen die quälenden Staus in Palermo, da hat selbst der kleinste Fiat keinen Platz mehr durchzuschlüpfen. Wie wir auf dem Parkplatz ankommen empfangen uns Parkgebühren, Souvenirstände und Touristen, die aus den Reisebussen quellen und wie wir den schön gepflasterten Weg hinauf zur Piazza vor dem Dom gehen. Seine Mauern erzählen von den vergangenen Zeiten.

Während der Mittagszeit ist der Dom geschlossen und wir steigen in der Mittagshitze weiter hinauf. Monreale, ist 1174 unter dem Normannenkönig, "Wilhelm der Gute" gebaut worden. Monreale, heißt Königsberg und ist bis in das späte 18. Jahrhundert unter den spanischen Eroberern, Anjou, Aragon, den Habsburgern und Bourbonen als Machtsymbol der christlichen Religion immer weitergebaut worden, so enthält die Kirche auch viel Barock.

Die dunklen Wolken ziehen schnell über den Himmel, Licht und Schatten laufen über die beeindruckenden Dächer und Mauern der größten Kirche Siziliens. Ich denke an den Schrecken der Inquisition und der radikalen Vertreibung aller Andersgläubigenden, wie den Araber und Juden, Die Weltoffenheit und der weitreichende Glanz erlosch.

Wer schlichte Kirchen gewöhnt ist den kann der Prunk, in dem Inneren der Kathedrale erschlagen. Ich suche nach den arabischen Details und bewundere die schönen Ornamente, die wie Mandalas, auf dem Fußboden der Kirche liegen.

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Wie ich aus der kühlen, beleuchteten Kirche wieder in das helle Tageslicht hinausgehen sehe ich die beiden riesigen Bronzetüren im Eingang. Sie sind mit vielen kleinen Tafeln eingeteilt, jede stellt eine Szene aus der Bibel dar, viele sind mir bekannt. Die Menschen, Tiere, Gegenstände sind einfach und klar und mit viel Ausdruck dargestellt. Später lese ich nach, die Tür ist so alt wie der Dom, der Künstler hieß Bonannus, er hatte die Kunst des Bronzegiessen von den Byzantinern gelernt, sie ist einmalig.

Adam und Eva, die Vertreibung aus dem Paradies, Sizilien ist auch einmal ein Paradies gewesen. Auf der kleinen Bronzetafel stehen sie nackt, wie Kinder, sind Teil der Natur, der Apfel führt zur Erkenntnis.

Welche Erkenntnisse ich in Sizilien gewinne, ist immer wieder mit den Herausforderungen verbunden, Geschichten und Geschichte aus allen Ländern, Mächten und Religionen verstehen zu lernen. Die vielen Informationen aus Kultur- Reise- und Geschichtsbüchern helfen Zusammenhänge zu verstehen. Dennoch darf das viele Wissen nicht die Freude an der eigenen Entdeckerlust schmälern.

28.05.2016, Günter Seefelder